Domäne und Simmerbachtal auf der Gemarkung Simmern. Entwicklung seit Ende des 19. Jahrhunderts.

(Verfasst von Rheinhold Engelmann, Simmern für den Rhein-Hunsrück-Kalender 2022)

Staatliche Landbewirtschaftung, ab 1898

Wir schreiben das Jahr 1938. Ab Ostern des Jahres fährt der Verfasser mit dem Fahrrad zur Schule nach Simmern. Aus Richtung Altweidelbach kommend sieht er nach der Waldstrecke auf der Höhe rechter Hand weidende Kühe und Rinder. Das kannte er nicht vom Dorf. Hier wurde in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft das Vieh im Stall gehalten. Höchstens zur Anspannung kam das Ochsen- oder Kuhgespann mal nach draußen. Interessiert an der Hofstelle nahm der Verfasser auch schon mal den (Feld-) Weg ins Simmerbachtal. Die Anzahl der Gebäude, aber auch die Größe einzelner Stallungen erstaunte. Die geteerte Allee beeindruckte nicht weniger, die weiter zur Stadt führte. Zu der Zeit waren Orts-und Gemeinde-Verbindungsstraßen meist noch sandgebunden geschottert, so auch größtenteils der Schulweg.

Der Ursprung der Domänen-Landschaft ist die „Aulerschmühle“, benannt nach der zeitweiligen Inhaberfamilie Auler; sie hatte dazu Landbesitz.1) In dieser Mühle wurde ehemals u. a. Korn und Lohe gemahlen. An der Stelle lädt seit 2010 das Wirtshaus am Simmersee zum Rasten ein.2)

Bild vom Verfasser

In den Dörfern des Hunsrücks lebten seiner Zeit, ja noch bis Ende des zweiten Weltkrieges bis in die 1950er Jahre, die Familien überwiegend nur von der Landwirtschaft.3) Begrenzt durch die zur Verfügung stehenden Feldflächen (der Hunsrück in der Region Simmern besteht etwa je zur Hälfte aus Feld und Wald) bewirtschafteten sie jeweils im Durchschnitt nur 4,5 ha Äcker und Wiesen.4) Es kam darauf an, aus dieser relativ kleinen Betriebsfläche den größtmöglichen Ertrag für die Familienversorgung zu erzielen.

Das erkannte Landrat von Beckerath in besonderem Maße, der von 1894 – 1905 dem Landkreis Simmern vorstand. Er setzte sich beim preußischen Staat nicht nur dafür ein, dass in Simmern das Kulturamt eingerichtet wurde, das ursprünglich „Spezialkommission“ hieß, sondern auch eine „Königliche Domäne“. Das Kulturamt, das heute eine Abteilung des in Bad Kreuznach eingerichteten Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) ist, konnte für die Dorfbetriebe durch Bodenverbesserungsmaßnahmen zur Ertragssteigerung beitragen und zudem aus kleineren Parzellen größere Bewirtschaftungsstücke schaffen, die weniger Bewirtschaftungsaufwand erfordern. Die Domäne sollte den Landwirten rationelle Bewirtschaftungsmaßnahmen aufzeigen. In seinem handgeschriebenen Brief an den Regierungspräsidenten in Coblenz vom 7-ten März 1897 heißt es:

„Auf dem Hunsrück fehlt es an Wirtschaften, welche geeignet wären, den Kleinbauern den Nutzen einer rationellen Viehzucht und Landbestellung vor Augen zu führen.“ 5)

Beide Bestrebungen hat der Landrat erreicht: Am 15. Oktober 1898 wurden in Simmern sowohl die Errichtung der „Königlichen Spezialkommission“ als auch der „Königlichen Domäne“ ausgiebig gemeinsam gefeiert.6)

Domänen-Landschaft 1985 (Bild vom Verfasser)
Domänen-Landschaft Rinderberg“ 2008 (Bild vom Verfasser)

Die „Aulerschmühle“ kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste 1895 zwangsversteigert werden. Auf Anraten des Landrates erwarb die Stadt Simmern die Liegenschaft im Interesse der angestrebten Domäne. Mit dem Mühlengrundbesitz von 3 ha und ihrem eigenen in diesem Bereich konnte die Stadt Land in Größe von 131 ha für die Einrichtung einer Domäne einbringen. Dazu wurde von 56 Privateigentümern Land angekauft, in der Hauptsache von Altweidelbacher Bürgern, deren Gemeindegebiet Simmerbach aufwärts unmittelbar angrenzt. 7) Eine Fläche von 165 ha stand nun zur Verfügung, davon 155 ha landwirtschaftliche Nutzfläche.8)

Die seit 01. Oktober 1898 administrierte Domäne wurde in den ersten Jahren staatlich betrieben durch Landwirtschaftslehrer Julius Theurer und seit 1902 als Pachtbetrieb.9) Erster Pächter wurde Herr Theurer, der die Domäne bis 1920 betrieb.10)

Der Betrieb der Domäne erforderte zunächst Wirtschaftsgebäude. Mit den drei Gebäuden aus der Betriebszeit der „Aulerschmühle“, dessen Wohnhaus 1899 instand gesetzt wurde,11) entstand, von der Mühle aus talaufwärts, unterhalb des öffentlichen Verkehrsweges zum Simmerbach hin bis zum ehemaligen Mühlengraben im Lauf der Zeit ein Ensemble von insgesamt 13 Gebäuden und baulichen Einrichtungen.12) Davon wurden im Jahr der Inbetriebnahme 1899 der aneinander gebaute Pferde-und Rindviehstall errichtet, das größte Gebäude. In den Stallungen hatten acht Ackerpferde mit Jungtieren und rund 60 Rinder (Stiere, Zugochsen, Kühe und Jungtiere) Platz.13) Im ersten Betriebsjahr wurden ferner ein Geräte- und Düngemittelschuppen, ein Maschinen- und Wagenschuppen sowie eine Offene Feldscheune gebaut.

Domänenhof – Foto bachabwärts
Staatliche Domäne Simmern, Hof; Bildarchiv des Rhein-Hunsrückkreises,
Obj. Nr.: 534620476B, Fotograf: Jürgen Sinß
Domänenhof – Foto bachaufwärts
Domänenhof; Bildarchiv des Rhein-Hunsrück-Kreises,
Obj. Nr.: 719632199B, Fotograf: Jürgen Sinß

Von den 13 Gebäudeeinrichtungen stehen heute noch zwei: ein ehemaliger, 1942 gebauter, Maschinen- und Wagenschuppen, der heute Seescheune genannt wird und das 1957 gebaute Kartoffellagerhaus, das heute den Namen Domänenscheune trägt. Beide Gebäude wurden innen baulich so gestaltet, dass sie gern für Gesellschafts-veranstaltungen genutzt werden.

Das Kartoffellagerhaus wurde unter dem Pächter Böhm errichtet, der seit 1946 für die Bewirtschaftung der Domäne zuständig war und als Saatgutzüchter sich besonders der Kartoffelzüchtung widmete. Der Verfasser erinnert sich besonders der Kartoffelsorte Böhmsmittelfrühe, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreute und auf dem Hunsrück gern gepflanzt und gegessen wurde. Des Weiteren hat Herr Böhm anstelle des „Glan“- Rindviehs das „Rotbunte“ eingeführt.14) Die beweidete Domänenlandschaft zeigte das erste veränderte Bild.

Der letzte Verwalter war Böhms Schwiegersohn Kohlschütter.

Da die Domäne mit der Zeit ein Zuschussbetrieb für den Staat wurde, entschied sich Rheinland-Pfalz, als Nachfolgestaat von Preußen, die Domäne mit Ablauf des letzten Pachtvertrages am 15. Oktober 1985 aufzulösen. Mit dieser Aufgabe und der Verwertung der Domänenliegenschaften wurde das Kulturamt betraut, die Behörde, die gemeinsam mit der Domäne einst installiert worden war.

Die Stadt Simmern, s. Zt. war Wolfram Berg ihr Bürgermeister, ging im Interesse der Stadtentwicklung auf das Anraten ein, das Domänengelände auf ihrem Gemeindegebiet insgesamt, einschließlich der aufstehenden Gebäude, zu kaufen. Aber zu welchem Preis?

Ob es eine Fügung für die Stadt war? Damals war Otto Meyer Minister des zuständigen Landwirtschaftsministeriums. Selbst Bürgermeister einer Ortsgemeinde im Taunus gewesen, wusste er um die Schwierigkeiten, die Grundstückseigentümer machen können, wenn sie von der Durchführung gemeindlicher Entwicklungsmaßnahmen betroffen sind. Mit seinem Einverständnis wurde darauf verzichtet, den auf dem Grundstücksmarkt höchst möglichen Veräußerungsgewinn für das Domänenland zu erzielen. Der Staat erklärte sich bereit, den Grund und Boden zu dem seiner Zeit üblichen Verkehrswert für Landwirtschaftliche Nutzfläche an die Stadt zu veräußern. Voraussetzung war jedoch, die Feldfläche, die nicht unmittelbar für städtebauliche Zwecke in Anspruch genommen werden muss, im Sinne der Agrarstrukturverbesserung zu verwenden. Das hieß, die Stadt verpflichtete sich, die „freien“ Feldflächen an „Entwicklungsfähige landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe“ in Simmern und in den benachbarten Dorfgemeinden langfristig, d. h. auf je 12 Jahre zu verpachten. Die Verpflichtung bestand 24 Jahre lang, wobei die Verpachtung unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Kündigung steht, wenn die Stadt den Grund und Boden für notwendig werdende Entwicklungsmaßnahmen benötigt. Die Stadt Simmern ging auf das großzügige Angebot ein. Am 04. Oktober 1985 wurde die Eigentumsübertragung durch Notariellen Vertragund die folgende Grundbuchberichtigung vollzogen.15)

Die erste Verpachtung führte das Kulturamt im Benehmen mit der Landwirtschaftlichen Beratungsstelle (Landwirtschaftsschule) und der Gemeindeverwaltung durch. 89 ha wurden an 19 landwirtschaftliche Betriebevergeben, d.h. im Durchschnitt 4,7 ha/Betrieb.16) Heute gibt es nur noch vier Verpachtungen mit entsprechend verminderter Grundfläche.17)

Stattdessen sind der Simmersee entstanden und die Wohnbebauung Hinterer Rinderberg: Baugebiete „An der Domäne“ (Ende der 1990er Jahre) bis „Baugebiet am Simmersee“ (z. Zt. in Ausführung).

Hinterer Rinderberg im Februar 2021 (Bild vom Verfasser)

Städtische Landnutzung

War es Aufgabe der Domäne, die Landwirtschaft in der Hunsrückregion Simmern zu fördern, so hatte die Stadt Simmern, neben der Erweiterung ihres Siedlungsgebietes, das Bestreben, den Tourismus der Stadt zu fördern. Das Simmerbachtal bot diese Möglichkeit. Die Stadtgemeinde verkaufte das ehemalige Mühlen- und spätere Domänen-Pächterwohnhaus der Familie Korbion, die in der Nähe eine Schreinerei betreibt, wo in früherer Zeit eine Mühle lief. Es ist in Simmern die Neumühle, die aber schon aus früherer Zeit stammt. Sie wurde laut Stadt-Akte 1652 Instand gesetzt (deshalb Neumühle?). Familie Korbion machte aus dem Pächterhaus einen Gaststättenbetrieb (siehe oben Bild 1).

Im Jahr 2005 bildete sich ein „Trägerverein Simmerbachaue“, der sich zum Ziel setzte, das Simmerbachtal von der Holzbacher-Straße an bis einschließlich der ehemaligen Domäne naturfreundlich und einladend für Wanderer umzugestalten und aufzuwerten. Der Rottmannpark, der bis 1908 Friedhof war, wurde einbezogen. Der prägende, alte Baumbestand des Parks entsprach dem Ziel. Gedankengeber und Initiator für die Aufwertung des Simmerbachtales war Stefan Wickert, als Bauingenieur Leiter eines Simmerner Tiefbauplanungsbüros und als Kommunalpolitiker seinerzeit Stadtratsmitglied.18) Erster Vorsitzender des Trägervereins wurde der damalige Stadtbürgermeister Manfred Faust, der dieses Ehrenamt bis heute Inne hat. Der Verein zählte Ende 2010 92 Mitglieder.19) In dieser Größenordnung kann davon ausgegangen werden, dass die Bürger der Stadt großes Interesse an einer verbesserten Gestaltung der „Aue“ hatten und sicher noch haben. Die Mitglieder brachten sich durch Eigenleistung sehr an der Ausführung der vorgesehenen Einzelmaßnahmen ein: so, erheblich an dem Ausbau der „Seescheune“ und der „Domänenscheune“, aber auch an den Geländemaßnahmen.

Ab 2005 wurde der Simmersee angelegt, naturangepasst, mit einem Feuchtbiotop im Einlaufbereich der Abzweigung vom Simmerbach.

Das nahe der Stadt gelegene Gartengelände, unterhalb der südlichen Gebäude an der Koblenzerstraße, das nach dem Liegenschaftskataster „Wingertsberg“ genannt wird, regte an, hier einen Erholungs-Park anzulegen. Die Zeit, in der die Bürger vornehmlich in Mietwohnungen lebten und der Garten als „erweiterte Wohnung“ diente, war nicht mehr gegeben.20)

Die Stadt Simmern erwarb die Garten-Parzellen durch Kauf oder Tausch und pflanzte unterhalb der Gebäude in dem gesetzlich möglichen Umfang (wieder?) Reben an. Das Gymnasium erklärte sich bereit, dass die Schüler des jeweiligen „Biologie-Leistungskurses“ die Betreuung und Pflege übernehmen.

Unterhalb des Rebenhanges bis zum Simmerbach hin wurde das Gelände zum Verweilen für die Wanderer und für die Bürger der Stadt zur gymnastischen Ertüchtigung gestaltet; es entstand der heute so genannte „Wingertsbergpark“.21)

Wingertsberg-Park früher, Gärten (Bild Silke Engelmann)
Wingertsberg-Park heute (Bild Silke Engelmann)

Die Stadt Simmern ist der Ausbauträger aller Maßnahmen in der Aue und schrieb sie rechtlich im Bebauungsplan „Entwicklungs- und Pflegeplan Simmerbachaue“ fest. 22)

Ergebnis der fortschreitenden Landnutzung

Die Redewendung: „Nichts ist beständiger als die Veränderung!“ gilt auch für eine Landschaft, zumindest für die nicht mit Gebäuden bebaute. Selbst bei dieser bleibt vieles nicht wie es war. Das zeigen die derzeitigen Baumaßnahmen in der Innenstadt Simmern.

Das Beispiel der aufgezeigten Änderungen der ehemaligen Domänenlandschaft und der Pflege und Weiterentwicklung der Simmerner „Simmerbachaue“, wo früher Mühlen klapperten,berechtigt, wohl zu sagen:

„Landschaft lebt!“

wie es in einer Broschüre „Landbewirtschaftung und Landschaft“ zu lesen ist, herausgegeben vom Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege Schleswig-Holstein gegen Ende des 20. Jahrhunderts.

Danke!

Dank gebührt den Personen, die zu den Quellen des Berichtes verholfen haben: besonders zu nennen ist der Leiter des Rhein-Hunsrück-Archivs Dr. Fritz Schellack, der bei der Suche nach den entsprechenden Akten im Landeshauptarchiv Koblenz zur Domäne sehr hilfreich war.

Rheinhold Engelmann (Verfasser und Mitglied Trägerverein Simmerbachaue)

Quellenverzeichnis Landschaftswandel – Domäne und Simmerbachtal:

  1. Ernst Siegel, „Die Domäne“, handschriftlicher Nachlass, Rhein-Hunsrück-Archiv, Abt. 12 Nr. 18/5
  2. Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 14.04.2010.
  3. nach Erleben des Verfassers.
  4. Alfred Bauer „Ländliche Gesellschaft und Agrarwirtschaft im Hunsrück“, Seite 103, Kreis Simmern.
  5. Landeshauptarchiv Koblenz, 2037, Brief des Landrats an Reg. Präsidenten.
  6. Achim R. Baumgarten und Hans Dunger „Die königlich–preußischen Landräte des Kreises Simmern“, S. 145.
  7. Landeshauptarchiv Koblenz, 441/19743, Grundstücksverzeichnis.
  8. Verordnung des Regierungs-Präsidenten zu Coblenz vom 14. Mai 1902 : zur Domänenverpachtung.
  9. wie 8).
  10. Georg Böhmer „Die Domäne Simmern“, aus seiner „Biochronik“ 1960, Rhein-Hunsrück-Archiv.
  11. Landeshauptarchiv Koblenz, 441/19737.
  12. Staatliches Hochbauamt Bad Kreuznach, Bestandsbuch der Staatlichen Domäne Simmern 1957, in „Weggelegter Akte A1“ der Verbandsgemeinde Simmern.
  13. Landeshauptarchiv Koblenz, 441/19740, Revisionsbericht vom 15. Juni 1909.
  14. wie 10).
  15. Eigentumsübertragung; Notarielle Urkunde Nr. 1034/85.
  16. Kulturamt; Akte Domänenauflösung, 1. Verpachtung.
  17. Auskunft Verbandsgemeinde-Verwaltung.
  18. Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 10.03.2005.
  19. Vom Verfasser notiert in der Mitgliederversammlung vom 08.11.2010.
  20. wie 1).
  21. Rhein-Hunsrück-Zeitungen vom 22.04.2010 und 26.04.2011.
  22. Bekanntmachung vom 06.01.2010 im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde.